KARATE
Kampfkunst - Selbstverteidigung - Gesundheit - Lebensphilosophie

Karate vs. Karate-Do

Kara-te-Do (jap. 空手道 – Weg der leeren Hand) wurde früher meist nur als Karate bezeichnet und ist unter dieser Bezeichnung noch heute am häufigsten geführt. Der Zusatz «Do» wird verwendet, um den philosophischen Hintergrund der Kunst und ihre Bedeutung als Lebensweg zu unterstreichen.

Karate ist Kampfsport bzw. Sportkarate, Karate-Do aber ist weit mehr: Karate-Do ist der Weg, Karate-Do ist Lebensphilosophie, ein stetes An-sich-arbeiten, nicht nur physisch, sondern insbesondere psychisch und geistig. Karate (Sportkarate) kann wettkampfmässig nur bis zu einem bestimmten Alter praktiziert werden, Karate-Do aber kann das ganze Leben lang, bis ins hohe Alter, geübt werden. Karate-Do ist ungemein viel schwieriger, komplexer und anspruchsvoller als Karate. So sagt denn Grossmeister Pavao Piacun: «Karate-Do ist ein Kampf gegen sich selbst. Dabei muss man versuchen, sich selbst zu besiegen, was ungemein viel schwieriger ist, als einen Gegner zu bekämpfen oder zu besiegen. Karate-Do ist schwieriger als die Bibel; die Bibel liest und studiert man, bei Karate-Do aber muss man sich zudem noch körperlich anstrengen!»

Karate-Do basiert grundsätzlich auf den «Sieben Tugenden des Bushido» – dem «Weg des Kriegers oder Kämpfers». Diese Tugenden sind die Verhaltensregeln der Samurai, die auf Ehre und Kodex beruhen: Rechtschaffenheit, Respekt, Mut,  Ehre, Mitgefühl, Ehrlichkein und Offenheit sowie Pflicht und Treue. Die «Tugenden des Bushido» und die näheren Bedeutungen zu den einzelnen Tugenden können hier oder unter Download heruntergeladen werden.

Kernpunkt des Karate-Do ist in aller erster Linie «Mushin» zu erreichen. Mushin ist das Erreichen eines bestimmten Geisteszustandes, in dem man sich befreit von allen Gedanken, eine innere Leere erzeugt. Durch diese Unvoreingenommenheit und Abwesenheit von Gedanken, Gefühlen und Urteilen, die die intuitive Urteilsfähigkeit trüben, beruhigt sich der Geist und wird offen für die geistigen Grundsätze des Karate-Do. Durch Mushin wird der Geist befreit, so dass er in jede beliebige Richtung entscheiden und handeln kann, bevor ein intellektueller Prozess angestossen wird.

«Mizu no kokoro» ist ergänzend zu Mushin zu verstehen und versinnbildlicht das Bestreben, sowohl Geist als auch Technik mit den Eigenschaften des Wassers zu versehen. Einen Geisteszustand der Ruhe, Gelassenheit und Nichtaggression anzustreben. Wasser ist hart und weich zugleich, weicht jedem Angriff, kommt aber sofort zurück, manchmal langsam, manchmal schnell und passt sich jeder Form an. Es kann nicht gefasst werden; je fester man es greift, desto mehr verliert man es. Eine Wasseroberfläche interpretiert nichts, sondern spiegelt wieder, ohne Gedanken, spontan, sofort.

Laotse hat die Eigenschaften des Wassers überaus trefflich formuliert: «Auf der ganzen Welt gibt es nichts Weicheres und Schwächeres als das Wasser. Und doch in der Art, wie es dem Harten zusetzt, kommt ihm nichts gleich. Es kann durch nichts verändert werden. Dass Schwaches das Starke besiegt und Weiches das Harte besiegt, weiss jedermann auf Erden, aber niemand vermag danach zu handeln.»

In unserem Stil – Shisui-Ryū-Karate-Do«Der Weg des Wassers»  versuchen wir, die Eigenschaften des Wassers zu verinnerlichen und zu interpretieren; die Sanftheit und Weichheit des Wassers; und aus dieser Sanftheit und Weichheit heraus die gewaltige Kraft und Stärke des Wassers. «Shisui» heisst denn auch «Stilles Wasser». Bezeichnenderweise war «Shisui» der Übername, den Sensei Pavao Piacun von seinem Lehrer Tetsuji Murakami erhalten hatte und der auf den Kampfstil von Pavao Piacun beruhte: sanft und fliessend, aber auch kraftvoll, knallhart und zerstörerisch wie Wasser.

Ein sich im Karate-Do Übender sollte bescheiden, selbstlos und sanftmütig sein. Aber auch, wenn es die Situation erfordert, Mut und Charakterstärke beweisen. Zudem sollte er einen ausgesprochenen Ehrenkodex besitzen, der sich insbesondere dadurch manifestiert, dass er seiner gesamten Umwelt – Mensch, Tier, Pflanze und Materie – mit Respekt, Achtung, Höflichkeit und Verständnis gegenübertritt. Eine vertiefte Analyse des «Dojo-Kun» (Verhaltensregeln) offenbart, wie schwierig Karate-Do – der Weg – ist, vor allem wenn diese Regeln auch auf das Verhalten ausserhalb des Dojo ausgeweitet werden. Karate ist Kampf gegen einen Gegner, Karate-Do aber der Kampf gegen sich selbst und dieser ist unendlich viel schwieriger und dauert wie gesagt nicht nur drei Minuten, sondern das ganze Leben lang – und vielleicht sogar darüber hinaus.

Karate-Technik

Im Karate sind Kraft und Dynamik elementar beim Einsatz von Schlägen, Tritten und Stössen. Die Techniken werden mit maximaler Beschleunigung und absoluter Körperspannung für einen kurzen Moment («Kime») auf einer möglichst kleinen Auftrefffläche ins Ziel gebracht. So wird eine sehr wirksame Schocktechnik erzielt. Trotzdem oder gerade deshalb, berücksichtigt Karate aber auch das ökonomische und ergonomische Prinzip, indem zuerst dem Angriff ausgewichen wird, durch Anwendung von Ausweichschritten wie zum Beispiel «Tai-Sabaki», um ähnlich wie beim Aikidō den Angreifer ins Leere laufen zu lassen, die angreifende Energie in eine andere Richtung um- und einen Konterangriff einzuleiten. Schliesslich sind auch die Prinzipien der Konterangriffe zu erwähnen: »Go-no-sen» – Konter nach Blockieren eines erfolgtem Angriffs; »Sen-no-sen» – direkter Konter während eines Angriffs bei dem versucht wird den Angriff mit einem noch schnelleren Angriff direkt zu kontern; »Sensen-no-sen» – direkter Konter noch vor einem Angriff nach kleinen Signalen eines Angriffsentschlusses.

Der eigentliche Sinn der Kampfkunst Karate-Do liegt im schnellen Neutralisieren des Gegners und nicht im Sammeln von Punkten durch völlig risikoreiche Techniken, die viel zu gefährlich wären, um sie in einem echten Kampf einzusetzen. Dies aber wird im heutigen Sport-Karate praktiziert. Das Karate, das heute in vielen Dojo trainiert wird, hat mit sportlichem Wettkampf zu tun, jedoch nichts mit Karate als Kampfkunst und schon gar nichts mit Karate-Do. Trotzdem hat auch das Sport-Karate seine Berechtigung, bietet es doch jungen Karate-Ka die Möglichkeit im Wettkampf, sei dies nun Kumite oder Kata, Einzelwettbewerb oder Teamwettbewerb, wertvolle Erfahrungen zu sammeln und Karate-Ka und Karate-Stile aus anderen Regionen, Ländern oder gar Kontinenten kennen zu lernen.